Kinderrechtskonvention, EU-Aufnahmerichtlinie und Schulgesetz M-V:
Das Schulgesetz MV muss in dieser Hinsicht geändert werden.
Widerspruch in der Rechtsauffassung:
Hintergrund ist die Rechtsauffassung des Landes, dass nur Kinder die „ihren gewöhnlichen Aufenthalt“ in Mecklenburg-Vorpommern haben, nach Schulgesetz der Schulpflicht unterliegen. Dabei ist aber fraglich, ob Kinder, die bis zu zwei Jahre in einer Erstaufnahmeeinrichtung wohnen müssen, nicht bereits einen „gewöhnlichen Aufenthalt“ im Land haben. Die entsprechende Formulierung im Asylbewerberleistungsgesetz wird beispielsweise umgehend nach Antragstellung dahingehend ausgelegt.
Widerspruch zur UN-Kinderrechtskonvention:
Unabhängig von der Schulpflicht kennt das Recht auch das Recht auf Bildung, wie es in der UN-Kinderrechtskonvention verankert ist. Die BRD hat diese Konvention bereits 1992 ratifiziert und die zunächst erklärten Vorbehalte 2010 offiziell zurückgenommen. Damit gelten Kinderrechte für jedes Kind in Deutschland – unabhängig vom Aufenthaltsstatus und Wohnort.
Wörtlich heißt es im § 41 (4) SchulG MV:
„(4) Für Kinder im grundsätzlich schulpflichtigen Alter, die keinen ständigen Aufenthaltsort in Mecklenburg-Vorpommern haben und sich in Erstaufnahmeeinrichtungen befinden, werden durch die Träger der Einrichtungen pädagogische Angebote, welche primär sprachlich ausgerichtet sind und die Vorbildung und die individuelle Leistungsfähigkeit berücksichtigen, zur Verfügung gestellt.“
Das ist nach unzureichend, weil es weder die Durchsetzung des Rechts auf Bildung in einer Regelschule von staatlich examinierten Lehrer*innen nach altersgerechten Lehrplänen noch die Durchsetzung der Schulpflicht regelt. Im Text der Kinderrechtskonvention steht außerdem „das Recht des Kindes“ und nicht „das Recht des deutschen Kindes“ oder „das Recht des Kindes mit gewöhnlichem Aufenthalt“. Gemeint sind alle Kinder.
Gerade Kindern, die ohnehin durch Krieg und Verfolgung oder durch zusammenbrechende Staaten bislang keinerlei Bildungschancen hatten, muss das Recht auf Bildung gewährt werden. Nachholende Bildung wird in jedem Fall teurer – sei es deswegen, weil Lernen leichter fällt, je jünger ein Mensch ist, sei es deswegen, weil selbst bei späterer Rückkehr in das Herkunftsland Bildung mitgenommen werden kann. Es ist nicht förderlich für die Integration, dass Kinder monate- und sogar jahrelang nicht beschult werden.
Widerspruch zur EU-Aufnahmerichtlinie:
Es gibt eine weitere Rechtsgrundlage, nach der Schulpflicht besteht. Das ist die EU-Aufnahmerichtlinie in der Neufassung von 2013. Artikel 14 (1) dieser Richtlinie besagt, dass die Mitgliedstaaten „minderjährigen Kindern von Antragstellern und minderjährigen Antragstellern in ähnlicher Weise wie den eigenen Staatsangehörigen den Zugang zum Bildungssystem“ gestatten,
„solange keine Ausweisungsmaßnahme gegen sie selbst oder ihre Eltern vollstreckt wird. Der Unterricht kann in Unterbringungszentren erfolgen. Die betreffenden Mitgliedstaaten können vorsehen, dass der Zugang auf das öffentliche Bildungssystem beschränkt bleiben muss.
Die Mitgliedstaaten dürfen eine weiterführende Bildung nicht mit der alleinigen Begründung verweigern, dass die Volljährigkeit erreicht wurde.“
Und damit gibt es aus unserer Sicht auch keine Handhabe, Jugendliche und junge Erwachsene vom Schulbesuch fernzuhalten (ggf. Volkshochschule, Abendgymnasium usw.), was allgemeine Praxis ist, und ihnen die Möglichkeit zu verweigern, einen formalen Bildungsabschluss zu erwerben.
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